Die Parteien rüsten sich für die Europawahl. Sie benennen Spitzenkandidaten, konzipieren Wahlprogramme und PR-Strategien für eine solide Wahlbeteiligung.
Das ist notwendig. Denn Europa ist nicht wirklich populär in Europa. Sein Ruf wird geschädigt durch Missionare, die auf der nationalistischen Klaviatur spielen und Fremdenfeindlichkeit predigen. Der „Moloch Europa“ vernichte nationale Souveränität, der Euro zwinge zu Solidaritätszahlungen für schlecht regierte Länder und werde so seine eigene Stabilität verlieren. Die Freizügigkeit führe zur Ausbeutung des deutschen Sozialsystems. Unterstützt wird der antieuropäische Affekt durch ein Verfassungsgericht, das der europäischen Integration Grenzen zieht, die zu setzen nur dem Gesetzgeber zusteht.
Die Menschen aber wissen um die Vorteile der Europäischen Union: Um die Friedensdividende; um die wirtschaftlichen Vorteile des Euro; um die hohen Lohn- und Sozialstandards; um die Freiheiten im Wohn- und Arbeitsmarkt, und auch um die EU als Wertegemeinschaft. Aber sie sind zur Geringschätzung dieser Attraktivität in dem Maße bereit, in dem auch die Politiker Europa schlechtreden: „Brüssel“ habe zu viel Macht an sich gerissen, agiere rücksichtslos, erlasse sinnlose Verordnungen.
Dabei gibt es für „Mehr Europa!“ allen Anlass. Der Kontinent ist dabei, durch seine institutionelle Zerrissenheit und die rechtspopulistischen Debatten um eine Re-Nationalisierung seine Zukunftsfähigkeit zu verlieren. 2010, so hatte man es 2000 in der Lissabon-Strategie vereinbart, sollte Europa der „wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt“ sein. Stattdessen fahren wir nur schwaches Wachstum ein, geben uns mit sinkenden Produktivitätsraten und steigenden Arbeitslosenzahlen zufrieden, haben unsere demographische Katastrophe nicht durch aktive Einwanderungspolitik aufgefangen.
Das alles hat die EU-Hard Power geschwächt, die man braucht, um weltweit Führungsmacht zu sein. Europas Soft Power, der politische Einfluss, schwindet, der Kontinent lebt weit unter seinen Möglichkeiten. Also: Mehr Europa! Das kann man begreiflich machen, wenn man nur endlich jene politische Leidenschaft an den Tag legte, die Europa auch verdient.