10112024

Das ist nicht genug

Iran muss die Existenz Israels akzeptieren

Ein Abkommen, das Iran am Bau von Kernwaffen hindern soll, ist prinzipiell richtig. Teheran wird durch technische Kontrollen vorläufig an der Herstellung von nuklearen Sprengsätzen gehindert. Im Gegenzug sollen die wirtschaftlichen und politischen Sanktionen gegen Iran nach der Unterzeichnung des Vertrages aufgehoben werden. Die Umsetzung des Agreements wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eingehalten werden. Doch die Technik, speziell die militärisch nutzbare Nukleartechnik, ist lediglich eine untergeordnete Funktion der Politik. Der immense finanzielle und der wissenschaftliche Aufwand zur Entwicklung von Kernwaffen, die politischen Hypotheken hierbei, werden nur in Kauf genommen, wenn eine Regierung überzeugt ist, dass der Preis sich politisch lohnt.

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Seit dem Triumph der islamischen Revolution vor 36 Jahren verkündet das schiitische Regime offen sein Ziel, den jüdischen Staat auszulöschen. Um dies zu erreichen, unterstützt Teheran mit Israel verfeindete islamistische Untergrundorganisationen wie die schiitische Hisbollah in Libanon, aber auch die sunnitische Hamas in Gaza mit Geld, Waffen und Ausbildern. Iran wurde für den Aufbau eines Nuklearpotentials plus Trägerraketen von der internationalen Staatengemeinschaft hart bestraft. Teheran war dennoch bereit, diese Belastungen zu ertragen, um sich die nukleare Keule zu beschaffen, die seiner Drohung gegen den jüdischen Staat – aber nicht nur ihm gegenüber – Glaubwürdigkeit zu verschafft.

Das erstrangige Ziel von Verhandlungen mit Iran wäre daher eine politische Vereinbarung gewesen, die das Existenzrecht aller Staaten der Region, einschließlich Israels, festgeschrieben hätte. Eben dies ist nicht geschehen, weil Teheran sich nicht darauf einlassen wollte und weil die Regierung der Vereinigten Staaten gemäß der sogenannten Obama-Doktrin überzeugt ist, Konflikte, auch jenen mit Teheran, nach Möglichkeit diplomatisch zu lösen, statt sich auf eine militärische Konfrontation einzulassen. Diese Friedenspolitik ist prinzipiell richtig – wenn sie zur Lösung der Konfrontation beiträgt. Die entscheidende Frage bei der Beurteilung der Rahmenvereinbarung von Lausanne ist, ob sie einen Schritt auf dem Weg zum Frieden ist. Teheran hat auch nach der Vereinbarung von Lausanne sein Ziel, den Staat Israel zu vernichten, »unverhandelbar« genannt. Das darf nicht hingenommen werden. Als vollwertiges Mitglied der Völkerfamilie muss der Iran das Lebensrecht aller Staaten, einschließlich Israels anerkennen. Schließlich fordert Teheran auch Sicherheit für sein Staatswesen.

Das entscheidende Bewertungskriterium der Vereinbarung von Lausanne ist also ihre politische Perspektive. Die Weltmächte haben dabei einen Rahmen abgesteckt, der in wenigen Monaten durch die Regelung technischer Details über die Zahl und Funktionsweise der Zentrifugen, den Grad der Anreicherung des von ihnen produzierten Urans sowie die Art und Weise der Kontrollen et cetera festgeschrieben werden wird. Tritt das Agreement nach seiner Ratifizierung in Kraft, dann wird Teheran im nächsten Jahrzehnt technisch daran gehindert werden, Kernwaffen zu produzieren. Wird der Nahe und Mittlere Osten dank dieses Übereinkommens sicherer? Wenn man sich nicht auf Nukleartechnik beschränkt, sondern dem politischen Aspekt den Vorrang einräumt, lautet die Antwort: nein. Denn das zentrale außenpolitische Ziel des Irans bleibt unverändert die Zerstörung Israels.

Die Gefahr eines nuklearen Angriffs des Irans gegen Israel ist jedoch gering – selbst wenn Teheran nach einem Jahrzehnt trotz seiner Unterschrift des Nuklearwaffensperrvertrags Atombomben produzieren würde. Der Iran müsste mit einem verheerenden Gegenschlag Israels rechnen. Teheran kalkuliert nüchterner. Wahrscheinlicher ist ein Szenario, dass Teheran nach der Unterzeichnung des Vertrages seine Einkreisungspolitik gegen Israel intensivieren wird. Allein Hisbollah in Libanon lagert mehr als 100 000 Raketen, vorwiegend aus iranischer Produktion, für einen Angriff gegen Zion. Gegenwärtig versucht der Iran, eine zweite Nordfront gegen Israel auf den syrischen Golanhöhen zu etablieren. Diese Strategie wendet Teheran keineswegs alleine gegen Israel an. Auch Saudi-Arabien und Ägypten bekommen das expansive Agieren Teherans zu spüren.

Es bleibt der Aspekt der moralischen Glaubwürdigkeit. Sie ist für die Stabilität der westlichen Demokratien, aber auch für Freiheitsbestrebungen weltweit entscheidend, wie die Revolutionen des Arabischen Frühlings zeigen. Israel ist seit dem 11. Mai 1949 ein Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen. Die UN-Charta verbietet ausdrücklich Drohungen, Kriege gegen Staaten oder gar deren Zerstörung. Eine Anerkennung des Irans als nukleare Schwellenmacht, ohne dass Teheran seine Vernichtungsabsicht gegenüber Israel aufgäbe, beraubte die Staatengemeinschaft ihres Ansehens.

Deutschland ist nicht umsonst an den Verhandlungen mit Teheran beteiligt. In den deutsch-israelischen Beziehungen wird speziell von deutscher Seite die historische Verantwortung Deutschland für den jüdischen Staat betont.

Wenn Berlin bei den weiteren Verhandlungen die Betonung auf den Bestand Israels wie aller anderen Staaten in der Region sowie das Bestreben nach einer Schaffung Palästinas legte, würde Deutschland nicht nur in Zion, sondern weltweit an Ansehen gewinnen.


Der Originalartikel ist erschienen in: DIE ZEIT, No. 18, 30. April 2015, S. 11 – unter dem Titel “Das ist nicht genug – Iran muss die Existenz Israels akzeptieren”

Photo Credit: Asitimes (CC BY 2.0), United States Government Work

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